Kegeln ist der beste Kick! |
Aus dem SZ-Magazin
vom 30.06.2000 Mehmet Scholl liebt das gefährliche Spiel. Deshalb gibt er sich nach jedem Fußballmatch die Kugel. Von Lars Reichardt SZ-Magazin: Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich Ihr Hobby ist? Mehmet Scholl: Dieser Sport ist sehr, sehr anstrengend, auch für mich. Nach meinem normalen Pensum mit einem Minimum von hundert Kugeln tun mir am nächsten Tag alle Knochen weh und ich bekomme einen unglaublichen Muskelkater. Im Arm? Im Arm überhaupt nicht, aber im rechten und linken Bein. Die Oberschenkel fangen schon nach fünfzig Kugeln an zu flattern, weil man beim Stemmschritt am Ende hundert Mal das ganze Körpergewicht mit einem Fuß abfangen muss. 200 Kugeln schaffe ich zur Zeit gar nicht, obwohl ich völlig austrainiert bin. Aber Fußball und Kegeln bedeuten für die Beine eine komplett unterschiedliche Belastung. Beim Kegeln bremse ich den eigenen Schwung wie mit dem Bremsschritt beim Speerwerfen ab. Beim Fußball sind die Bewegungen viel runder. Profifußballern wird das Skifahren oft vertraglich untersagt - warum nicht das Kegeln? Ich bin dabei schon mal hingeflogen, aber verletzt habe ich mich eigentlich noch nie. Kegeln ist immerhin die gefährlichste Sportart der Welt, mit der höchsten Quote an Herzinfarkttoten. Das habe ich auch schon einmal gehört. Mediziner erklären das mit Herzrhythmusstörungen, die regelmäßig in der so genannten Pressphase auftreten. Ich weiß leider nicht, was eine Pressphase ist. Als ich mit elf Jahren Kegeln gelernt habe, gab es diese Bezeichnung noch nicht. Wahrscheinlich ist es die Bewegung, mit der man die Kugel vor dem Wurf von hinten nach vorn holt. Wie sind Sie zum Kegeln gekommen? Mein Vater hat einmal auf einer Bahn zugesehen, sich daraufhin ein Buch gekauft und dann mit uns Kindern angefangen. Inzwischen hat er leider gesundheitliche Probleme und wieder aufgehört. Mein Vater hat halt leider Gottes einen dicken Bauch und ist schwer. Damals durfte er schon die Kugeln mit Löchern für ältere Herren spielen, mein Bruder und ich die kleineren für 10- bis 14-Jährige. Die sind so klein, dass sie auch mal ganz durchlaufen können, ohne einen einzigen Kegel abzuräumen. Waren Sie gut? Ich war mit dem KV Karlsruhe Zweiter Deutscher Mannschaftsmeister in der Jugend. Ich glaube, das Turnier fand in Aschaffenburg statt. 14 waren wir da und irrsinnig stolz. Zu der Zeit habe ich jede Woche um die 800 Kugeln geschmissen, was unvorstellbar viel für diese Altersklasse ist. Und wie viele schmeißen Sie heute? Einmal die Woche komme ich dazu, wenn's gut läuft. Sechs, sieben Jahre habe ich jetzt überhaupt nicht gekegelt, bis ich vor einem halben Jahr einen Angestellten von Bayern München kennen gelernt habe, der ziemlich hoch kegelt. Ziemlich hoch? Ziemlich gut. Wir spielen immer nach dem Training, beim Norbert in Harlaching. Auf einer Bundesligabahn zu trainieren oder zu spielen ist natürlich am schönsten. Da fallen die Kegel noch mal ganz anders. Ab und zu spielen wir auch in der Sportschule Oberhaching. Zwei Essen hat mein Freund jetzt schon verloren. Sie wetten? Nur mit ihm, nur um ein Essen. Alle glauben, dass man beim Kegeln immer wettet. Kegeln ist ein richtiger Sport, noch dazu ein schöner. Mit Freizeitkegeln hat das nichts zu tun. Immerhin wurde Kegeln seit dem Mittelalter immer wieder verboten. Warum denn das? |
Zu
viele Prügeleien, zu hohe Wetten. Das habe ich nicht gewusst. Ich bin da durch meinen Vater so reingerutscht und habe mich nie mit der Geschichte des Kegelns beschäftigt. Was macht Ihnen an diesem Sport so viel Spaß? Jeder einzelne Wurf macht Spaß. Jede perfekte Kugel, mit der alle Kegel umfallen. Es ist immer spannend, während die Kugel nach vorn rollt. Was passiert? Bin ich jetzt falsch angelaufen? Oh, jetzt habe ich die Hand gedreht! Am Lauf der Kugel siehst du sofort, was du falsch oder richtig gemacht hast, auch wenn es Kugeln gibt, die alles wegräumen, ohne dass man damit rechnet. Es ist schon interessant. |
Wann
läuft eine Kugel perfekt? Im Idealfall nimmt man drei Schritte Anlauf. Beim zweiten Schritt geht die Kugel ungefähr eine Kugelbreite weit hinter den Körper und du legst auf der Bahnmitte auf. Ich schaue dabei nicht auf die Kegel, sondern auf die Mitte der Auflagefläche. Man sollte den mittleren vorderen Kegel entweder rechts oder links treffen. Wenn man's kann, versucht man, Gasse zu spielen. Gasse? Zwischen die Reihen. Im Idealfall spielt man 25 Kugeln in die Vollen - immer in die gleiche Gasse. Das ist kaum zu schaffen, weil man immer mal einen Schlenker in der Hand hat. Aber wer viel trainiert, kann sich die rechte oder linke Gasse sogar aussuchen. Und welche Gasse nehmen Sie? Bei mir ist es meistens die linke. Aber ich trainiere zu wenig. Die rechte wäre für mich eigentlich die bessere. Werfen Sie mit Effet? Am besten ohne. Gott sei Dank hat diese Sportart nichts mit Bowling zu tun. Kegeln ist wesentlich anspruchsvoller. Beim Bowling schafft's irgendwie jeder, einmal alle umzuschmeißen. Die Kegel stehen näher beieinander, die Kugel ist größer und mit Löchern einfacher zu fassen, man muss sie auch nicht unbedingt in der Mitte ablegen. Kegeln dagegen ist einfach ein Supersport. Benutzen Sie auch Kreide, um die Hände griffiger zu machen? Nein, das macht man nur beim Bowling. Aber ich verwende einen Schwamm, mit dem die Hand ein bisschen angefeuchtet werden kann, damit sich die Kugel besser fassen lässt. Vor allem mit kleinen Händen, die die Kugel nicht richtig fassen können. |
Haben
Sie eine eigene Kugel? Nein, das gibt es auch nur beim Bowling. Warum ist Bowling dennoch populärer als Kegeln? Beim Bowling kann man es viel einfacher klingeln lassen als beim Kegeln und alle Pins erzielen. Jeder fühlt sich als König, wenn er alle umwirft. Bowling ist halt ein Deppensport. Mir macht das keinen Spaß. Jedes Jahr treffen sich etwa 20000 Kegler in Münster, waren Sie da auch einmal dabei? Das sind die berüchtigten Thekenmannschaften: Hopp, erst mal eine Runde in die Vollen, kegeln können wir immer noch. Die Leute, die den Kegelsport in Verruf bringen. Freizeitkegeln interessiert mich nicht. Nur wenn man es als Sport begreift, macht es richtig Spaß. |
Können
Frauen genauso gut kegeln wie Männer? Ähnlich gut, so wie in allen Sportarten. Sagen wir mal so: Gegen Frauen aus der zweiten oder ersten Bundesliga hätte ich wahrscheinlich keine Chance. Die spielen auch schon fantastische Ergebnisse. Auf wie viele Punkte kommen Sie? Wenn es gut läuft, komme ich auf 900 Holz, ohne Training, aber das spiele ich auch nicht immer. Der Weltrekord liegt, soweit ich weiß, bei 1100. Muss man sich fürs Kegeln aufwärmen? Ja, aber wie genau, habe ich auch noch nicht raus. Früher war ich ja noch jung, da ging das ohne Aufwärmen. Zumindest sollte man den Anlauf vorher machen, damit sich der Körper daran gewöhnt. Kann man fürs Kegeln zu alt werden? Die Alten sind die Besten. Die haben die Ruhe und die Erfahrung. Vor allem die wilden Jugoslawen. Die haben ein besonderes Händchen dafür. Wie oft sollte man trainieren? Zweimal die Woche sollte schon sein, damit man nichts verlernt. Am Anfang fehlt einem die Konstanz; da läuft es mal ganz gut und mal ganz schlecht. Und um Konstanz zu erreichen, braucht man Training - wie bei allem im Leben. Und die Regeln? Sind die kompliziert? 200 Kugeln spielt man in der Bundesliga. Man muss fünfzig Kugeln in zwanzig Minuten auf einer Bahn geworfen haben, dann wechselt man auf die nächste. Gerade habe ich mit 25 Vollen 151 Punkte gehabt und bin mit der 26. Kugel ins Abräumen gegangen, das ist ein Sechser-Schnitt, also im Schnitt sechs Kegel pro Wurf. Das ist nicht sehr gut, aber gut. Beim Abräumen muss man ganz genau treffen. Durch den Neuner bin ich jetzt auf dem Weg zu einem 900er-Ergebnis. Oh, jetzt spüre ich wieder meine verletzte Schulter. Kegeln viele Profifußballer als Ausgleich? Ich kenne keinen. Kegeln ist für mich auch kein Ausgleichssport, sondern macht mir richtig Freude. Es ist ein richtig schöner Sport mit schönen Bewegungen und flüssigen Abläufen, auch wenn Sie das jetzt vielleicht nicht nachvollziehen können. So, jetzt muss der Herr Reporter auch mal eine Kugel schmeißen, ich hol dir mal ein volles Bild auf der Anzeige. Einen Fuß auf den grünen Anlaufstreifen, einen auf den braunen. Nein, langsam anlaufen, nur drei Schritte... Na ja. |